Seit Jahren haben wir von NRW Football eine besondere Verbindung zu den Brilon Lumberjacks. Somit war es klar, dass wir uns mit ihnen über die aktuelle Situation des American Footballs austauschen. Chris Nehls ist bei den „Jacks“ Head Coach und im Vorstand und hat uns auch diesmal geduldig alle unserer Fragen beantwortet. Herausgekommen ist ein Interview mit vielen Überlegungen darüber, wie das Rest des Footballjahres aussehen kann. Im Februar dieses Jahres konnten die Lumberjacks bereits ihren fünften Geburtstag feiern, aber, wie auch viele andere Geburtstagskinder, leider nur im Stillen.
Chris Nehls nach dem letzten Spiel in 2019 der Brilon Lumberjacks (Foto: Oliver Jungnitsch)
Oliver von NRWFootball: Chris, vielen Dank für das kurzfristige Interview. Lass uns die Lage nach dem Motto: „Was bisher geschah“ aufdröseln. Anfang 2020 waren viele noch optimistisch, wie ist es bei euch abgelaufen?
Chris Nehls: Es ging im Mai, so glaube ich, bei uns mit dem Training wieder los. Um uns auf die mögliche Ersatzsaison vorzubereiten ging es in die Vorbereitung. Die Pläne wurden jedoch immer wieder neu aufgelegt und an die jeweilige Situation angepasst. Leider ist es bei dem Training geblieben. Zunächst war es recht locker, aber die Regeln wurden immer weiter verschärft. Wir als Brilon Lumberjacks haben bis Ende Oktober trainieren können. Für November planten wir noch ein Freundschaftsspiel, aber dann kam bekanntlich der zweite Lockdown. Das ist schon eine lange Zeit, die seitdem vergangen ist.
Oliver: Das stimmt! Wie wird es von den Vereinsmitgliedern aufgenommen?
Chris: Das ist sicherlich wie bei allen Vereinen. Es ist für alle keine schöne und befriedende Situation, aber unsere Mitglieder bleiben uns treu. Es gab keine Austritte. Insgesamt wäre eine Perspektive schön. Ich halte nichts von der Möglichkeit mit einer weiteren Person zu trainieren. Es ist auch organisatorisch kaum für einen American Footballverein möglich, denn welcher Verein hat schon 50 Trainer. Manche unserer Spieler treffen sich mit einem anderen, um dann etwas Sport zumachen. Es beschränkt sich jedoch auf Laufeinheiten oder sie werfen sich ein paar Bälle zu. Das ersetzt aber kein Footballtraining.
Oliver: Und wie sieht es im Coaching Staff aus?
Chris: Wir haben keinen der Trainer verloren, das ist schon einmal gut. Die Personen sind so geblieben, wir haben jedoch die Aufgaben anders aufgeteilt. Klar gibt es auch mal Veränderungen im privaten, wo man sich herausnehmen muss. So erwartet Christian Stuhldreier, unser O-line Coach, Nachwuchs, da sind die Prioritäten verständlicherweise anders. Wenn es dann hoffentlich bald mal wieder los geht, muss man sehen, wie es dann funktioniert. Wir haben im Herrenbereich einen Kader von 52 Mann, bei den Flags von rund 20 Personen. Hinzu kommen noch unsere Cheerleaderinnen. Diese Pause haben wir im Hintergrund zur Organisation genutzt und uns um Dinge gekümmert, zu denen man im normalen Betrieb nicht kommt. Du musst auch aus doofen Situationen das Beste machen.
Oliver: Gute Einstellung! Apropos Flag: da werde ich noch einmal auf dich zukommen, denn das verdient einen eigenen Beitrag. Lass uns weiter machen: Konntet ihr auch eure Sponsoren halten?
Chris: So wie unsere Vereinsmitglieder halten uns auch unsere Sponsoren die Treue. Da sind wir sehr dankbar. Aber auch hier hatten wir notgedrungen Zeit, um neue Ideen zu entwickeln und bestehende Bindungen zu festigen. Die Lumberjacks haben sogar einen neuen Sponsor bekommen. Ein junges Briloner Unternehmen ist auf uns zugekommen und es unterstützt uns im Medienbereich. So wird von denen unsere Internetseite neugestaltet und mit uns wurde eine Fotoaktion ins Leben gerufen.
Oliver: Das freut mich. So, dann lass uns einen Blick in die Glaskugel werfen. Wann geht es wieder auf den Platz und wie kann eine Saison aussehen?
Chris: Ich würde mir eine vom Verband geführte Saison wünschen. In der jetzigen Situation glaube ich jedoch kaum noch daran. Ich kann mir vorstellen, dass im Herbst eine „Ein-Spiel-Saison“ stattfindet, also dass es nur Hin- oder Rückspiele gibt. Wenn es aber noch ein paar Wochen so weitergeht, dann glaube ich daran auch nicht mehr. Alle Teams brauchen für einen Spielbetrieb eine ausreichende Vorbereitungszeit. Bei der langen Pause kann es auch sein, dass der eine oder andere nichts gemacht hat. Du brauchst Zeit, bis das Team wieder eingespielt ist und die Abläufe drin hat. Da musst du schon sechs bis acht Wochen Vorbereitungszeit haben, bis du wieder ein Spiel wagen kannst. Die Zeit ist für Verletzungsprävention erforderlich.
Oliver: ... und was wäre dann der Plan B?
Chris: Plan B wäre: wir planen eine eigene Freundschaftsspielsaison. Da haben wir schon ein paar Teams im Auge, mit denen wir das machen wollen. Als Termin sehen wir den späten Sommer oder den Herbst. Das wäre vielleicht noch etwas, was funktionieren könnte.
Oliver: Gibt es auch einen Plan C?
Chris: Wenn du so willst, dass wir wenigstens trainieren dürfen. Und als Besonderheit eine gemeinsame Trainingseinheiten mit anderen Teams zu machen. Damit du wenigsten eine Form von Competition außerhalb des eigenen Teams hast. Das Wichtigste ist, das du mit dem Team endlich wieder auf den Platz kommst, auch wenn es keinen Spielbetrieb gibt. Es ist die Aussage, der Wunsch eines jeden Spielers und Trainers: Sie wollen einfach wieder auf den Footballplatz!
Oliver: Dann bleibt noch die Frage, ob es Publikum beim Gameday geben wird.
Chris: Auch das kannst du aktuell nicht planen. Mit den möglichen Hygieneauflagen kann es möglich sein, denn ohne unsere Fans wäre es eine riesige Enttäuschung. Wenn keiner ins Stadion dürfte, muss man sich vielleicht an einen Stream heranwagen. Wenn keiner hineindarf, ist es bitter, aber du kannst das dann einfach nicht ändern.
Oliver: Gibt es schon etwas Neues in Bezug auf eure Trainings-/Spielstätte?
Chris: Ja, die ganze Anlage wird umbaut. Die Brilon Lumberjacks können dann auf einem Kunstrasen mit Footballlinierung ihren Gameday ausrichten. Die ersten Arbeiten haben meines Wissens schon angefangen. Wenn der Platz im nächsten Jahr fertig ist, ist eine Eröffnungsfeier geplant.
Oliver: Gute Voraussetzung für die Zukunft. Dann lass uns mal überlegen, wie die Lumberjacks ihr 10jähriges feiern. Wo siehst du das Team in fünf Jahren?
Chris: Ich denke der Verein ist weitergewachsen und insgesamt gut aufstellt. Vielleicht spielen die Herren zwei bis drei Ligen höher. Sagen wir mal es lieber so, in fünf Jahren sehe ich uns im oberen Drittel der Oberliga.
Oliver: Was mich noch interessieren würde, wie gut ist die Unterstützung vom AFCVNRW in dieser schwierigen Zeit? Oder gibt es Dinge, die du dir wünschen würdest?
Chris: Ich kenne den Herrn Kegelmann, den Herrn Springwald und andere, die in dem Verband arbeiten. Sie haben dort vieles gut und richtig gemacht. Die Informationspolitik ist gut, gerade im Vergleich zu anderen Landesverbänden. Man darf nicht vergessen, der Verband macht nicht die Coronaregeln, sondern sie müssen die Vorgaben der Politik umsetzen. Die Informationen gab es immer rechtzeitig und in einer gut verständlichen Art und Weise.
Oliver: Die Themen: „Restart“, Huber und undurchsichtige Finanzen beim AFVD möchte ich lieber umschiffen. Lass uns lieber darüber reden, wie Esume den deutschen Football rettet und warum die Brilon Lumberjacks nicht in er ELF sind. Spaß beiseite, aber deine Meinung hierzu würde mich schon interessieren.
Chris: Sagen wir es so: die Bühne wäre natürlich genial! Die Medienpräsenz, die Bekanntschaften und Verbindungen wären genial, darüber brauchen wir uns nicht unterhalten. Wir sind ein ehrenamtlicher geführter eingetragener Verein, der gerne auch in die Jugendarbeit Zeit und Geld investiert. Die Teams der ELF sind GmbH’s und somit Wirtschaftsunternehmen. Als die ersten Meldungen herauskamen, da dachte ich: geil, die NFL Europe kommt zurück. Aber dann gab es immer weitere Nachrichten.
Oliver: Für mich ist es der falsche Zeitpunkt, denn du hast Streitigkeiten zwischen einzelnen Landesverbänden und dem Hauptverband, eine unsichere Lage aufgrund von Corona. Da braucht man nicht noch mehr Unruhe.
Chris: Das sehe ich auch so. Ohne Corona und vielleicht mit einem „neuen“ Bundesverband könnte es funktionieren. Ich weiß nicht, ob das alles zusammen funktioniert. Du hast zwar viele Teams in Deutschland, aber nicht unendlich viele. Die guten Spieler, die Biss haben und gut sind wollen in der GFL spielen. Aber es ist auch interessant in der ELF international zu spielen oder vielleicht auch mit ehemaligen NFL-Profis. Wenn ich jung wäre, dann könnte ich nicht sagen, dass ich da nicht unterschreiben würde. Zu jetzigem Zeitpunkt denke ich, es ist nicht gut für den deutschen Football. Wir bei den Lumberjacks setzen auf Nachhaltigkeit. Ein Footballteam ohne eine Jugendabteilung ist für mich nicht nachhaltig.
Oliver: Von verschiedenen Seiten kommt der Vorwurf, den ich gut verstehen kann: Das ist eine Kannibalisierung der GFL.
Chris: Richtig! Das siehst du in Köln, Lübeck, Elmshorn, Ingolstadt, Frankfurt, Berlin und in Hamburg. Da geht das Hauen und Stechen los und das „Söldnerwesen“ wird noch befeuert. Damit wird dauerhaft auch der Football in Deutschland nicht besser. Die Basis ist die Jugend und besonders die Jugendauswahlmannschaft mit den Jugendländerturnieren. Das ist eine super Sache! Da wird ein Netzwerk für die Entwicklung des Sportes gebildet. Meiner Meinung ist die ELF zu viel früh, das könnte in vielleicht zehn Jahren funktionieren. Dazu müsste es vom Verband eine professionelle Förderung des Footballs geben. Aktuell ist es eher ein weiteres Störfeuer im Football und wir haben weiterhin die Corona-Problematik.
Oliver: Lass uns lieber über Dinge sprechen, die uns näher sind und wir beeinflussen können. Wenn ich jetzt nach dem langen Reden über Football Bock bekommen habe und ich bei euch ins Training einzusteigen will, was kannst du mir sagen?
Chris: Selbst in der Coronazeit sind viele Interessente auf uns zugekommen, die bei uns trainieren wollen. In 2020 gab es sogar einen Mitgliederzuwachs. Klar wir sind immer auf der Suche nach guten Leuten. Wir haben eine Warteliste, damit wir die Leute sofort informieren können, wenn es wieder los geht. Bitte schreibt uns bei allgemeinen Fragen eine Mail an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.. Wenn du ein Herrenspieler bist, dann melde dich direkt bei mir: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein..
Das Interview mit Vorstandsmitglied und Head Coach Chris Nehls der Brilon Lumberjacks führte Oliver Jungnitsch für NRW Football / fands.pics.